Adam und Eva

Legendäres Landstreicherpaar mit Herzebrocker Wurzeln

Erinnerungswand für das Landstreicherpaar Adam und Eva

An der Gütersloher Straße in Pixel hat der Heimatverein eine sehenswerte Erinnerungswand für das legendäre westfälische Landstreicherehepaar Adam und Eva errichtet. Sie wurde am Samstag, 21. Januar 2023, der Öffentlichkeit vorgestellt. Mehr als 70 Gäste, die vom 1. Vorsitzenden des Heimatvereins Hans-Hermann Strickmann herzlich begrüßt wurden, nahmen an der Einweihung teil.

In unmittelbarer Nähe des neuen Denkmals stand einst das Geburtshaus von Anton Micheel (1855-1928), der als besagter Adam mit seiner Eva (Josefa Rickers,1855-1930) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im östlichen Münsterland von Bauernhof zu Bauernhof zog und allgemein Aufmerksamkeit erregte. "Se kiarmen in Düstern", beschrieb Projekt-Initiator Klaus Große Bockhorn bei der Eröffnung auf Plattdeutsch eine Eigenart des ungewöhnlichen Paares. Adam und Eva trugen Kleidung und Hüte stets in mehreren Schichten übereinander. Während Adam eher als wortkarg kalt, schnatterte Eva nahezu unaufhörlich mit ihrer recht hohen Stimme. Beide galten als eine Art wandelnde Nachrichtenzentrale.

Für die Erinnerungswand nutzte der Heimatverein das ehemalige Eingangsportal des 2019 abgerissenen Geburtshauses. Umfassend renoviert ist die Wand vier Meter breit und dreieinhalb Meter hoch. Sie wird mit einer Metallumrandung gestützt und mit einer Cortenstahlbemantelung geschützt. Einige verbaute Balken aus dem Restbestand des Querdeelenhauses stammen aus dem Jahr 1591.Teile des einstigen Fachwerks wurden integriert, beispielsweise der mittlere Teil des Vorgiebels über der einstigen Haustür. Deren Höhe betrug nur 1,57 Meter. Gelbe und auch rote Ziegelsteine, die einst im Inneren des Hauses verbaut waren, wurden in die Wandfächer eingefügt . Die Erinnerungswand gibt also auf vielseitige Weise Aufschluss darüber, welche Materialien damals beim Hausbau verwendet wurden.

Besonderer Clou des Bauwerks: Auf dem Eingangsportal íst ein historisches Foto von Adam und Eva aus den 1920er-Jahren in Großaufnahme zu sehen. Daneben wurden zwei Tafeln mit weiteren Fotos angebracht, die zum einen über die Baugeschichte des Hauses, zum anderen über das ungewöhnliche Leben von Adam und Eva informieren. Für vertiefende Informationen hat der Heimatverein einen QR-Code angebracht, über den ein Blick auf die Homepage des Heimatvereins Herzebrock ermöglicht wird.

Für die Entstehung des kleinen Vorplatzes wurden übrigens die alten Granit-Pflastersteine vom ehemaligen Clarholzer Bahnhof genutzt, wie Hans-Hermann Strickmann erläuterte. Den Kontakt hatte Bürgermeister Marco Diethelm hergestellt. Zum Verweilen laden links und rechts auf dem Vorplatz zwei Sitzbalken ein.

Die Kosten des Projekts belaufen sich auf rund 16.000 Euro. DurchSpenden und Zuwendungen kamen 10.000 Euro herein. Eigenleistungen wurden im Wert von 2000 Euro erbracht. 4000 Euro sind noch offen - der Vorstand ist zuversichtlich, diesen Betrag durch weitere SPENDEN decken zu können. Ohne bisherige ehrenamtliche Mitarbeit hätte sich der Finanzbedarf deutlich erhöht.

Wer waren denn Adam und Eva?

Sie gelten heute als Originale des Münsterlandes - das Landstreicherehepaar Adam und Eva. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zogen Anton Micheel und Maria Theresia Josepha Micheel, geb. Rickers, im heutigen Kreis Warendorf von Bauernhof zu Bauernhof, immer auf der Suche nach etwas Nahrung und einem schutzbietenden Plätzchen für die Nacht. Schon zu Lebzeiten haftete ihnen eine Art Legendenstatus an, dabei waren die beiden vor allem zwei "arme Teufel" auf der Walz. So jedenfalls bezeichnete sie der Warendorfer Publizist Rainer A. Krewerth, der dem ungewöhnlichen Paar ein ganzes Buch gewidmet hat.

Was viele nicht wissen: Adam alias Anton Micheel, hatte seine Wurzeln in Herzebrock. Tönne, wie er genannt wurde, kam am 25. Juni 1855 als fünftes Kind des Schreiners und Landwirts Caspar Micheel in der Bauerschaft Pixel zur Welt.

Bereits als Jugendlicher arbeitete Anton als Bauernknecht in der benachbarten Bauerschaft Quenhorn und in Marienfeld. Krewerth beschreibt ihn als hageren, hochaufgeschossenen Mann, als etwas einfältigen Sonderling. "Er gilt als zuverlässig, tut und macht, was ihm aufgetragen wird, und sagt und fragt nicht viel. Er hält sich abseits und wird gelegentlich bespöttelt und verlacht", fährt Krewerth fort. "Ein spaßiger Kerl, der von jedermann in Bauerschaft und Dorf als Versager verlacht wird."

Vielleicht auch deswegen zieht es Tönne fort. Er arbeitet als Schneidergehilfe, lässt sich schließlich zwischen 1890 und 1895 als Schneider bei einem Meister Brandhove in Telgte nieder. In den Jahren danach ist er als Gehilfe der Zwirn- und Nadelkunst in Münster tätig. In dieser Zeit lernt er seine spätere Gefährtin kennen. Im Jahre 1897 heiraten Anton Micheel und Maria Theresia Josepha Rickers in der Ägidiikirche zu Münster.

Beide besitzen nur, was sie am Leib tragen. Für ein bürgerliches Leben sind sie nicht gemacht, fehlen ihnen die Mittel. Sie durchstreifen nun auf einem immer wiederkehrenden Kurs das östliche Münsterland, finden Unterschlupf in Feldscheunen, Viehställen und den Futterküchen der Bauernhöfe. Die Bauern dulden das Landstreicherpärchen, wissen sie doch, dass von ihm keine Gefahr ausgeht. Auch in Tönnes Heimat Herzebrock zieht es sie immer wieder mal. Berichten nach durchqueren sie das Dorf nur bei Dunkelheit. Am hellichten Tag soll man sie mit ihrem geflickten unförmigen Schuhwerk und abgetragenen Jacken, Joppen und Hüten nicht sehen. Sie wollen sich nicht dem Spott der Kinder aussetzen.

Während Adam in seiner Wortkargheit kaum etwas aus der Ruhe bringen kann und er seine ebenso tiefe wie raue Stimme nur gelegentlich erhebt, schnattert Eva nahezu unaufhörlich mit ihrer recht hohen Stimme. Ihr Wortschatz an Schimpfwörtern und Kraftausdrücken ist legendär. Und kommt immer dann zum Einsatz, wenn beide von Kindern belagert und verspottet werden.

Aber Eva kann auch anders. Beim Abschied von gastgebenden Landleuten (Bauern) fällt stets folgender Spruch: „Bliewt gesund und munter, wäet nich krank, und bliewt an`d Liaben.“

Das Leben des außergewöhnlichen Paares neigt sich nach langen und entbehrungsreichen Wanderjahren Ende der 1920er-Jahre dem Ende. Adam erkrankt im Winter 1928 schwer, wird daraufhin ins Telgter Krankenhaus eingeliefert, wo er am 29. März 1928 an einer Lungenentzündung stirbt. Eva, die ihr Nomadenleben eigentlich fortsetzen will, lebt noch zwei Jahre im Hospital, ehe auch sie am 15. April 1930 verscheidet. Beide werden auf dem Telgter Friedhof beigesetzt.

Mehr Informationen zu Adam und Eva

Ein Artikel von Ewald Stumpe

 

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Die Geschichte des Hauses Micheel

Das Elternhaus von Adam alias Anton Micheel wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut und ist bauhistorisch von einigem Interesse. Das Gebäude an der Gütersloher Straße in der Bauerschaft Pixel - ehemalige Adresse Pixel 53 - beherbergte seit den 1970er-Jahren jahrzehntelang die weithin bekannte Getränkehandlung Bücker. Im Jahre 2019 wurde das Haus schließlich abgerissen. Eine Translozierung kam nicht zustande.

Die Errichtung eines ersten Wohnhauses an dieser Stätte (möglicherweise als Nachfolger eines stallähnlichen Gebäudes) lässt sich nach ersten Recherchen des Heimatverein-Mitglieds Klaus Große Bockhorn auf die Jahre 1848 bis 1850 eingrenzen. Die Hausstättengründung muss nach seiner Überzeugung unter einfachsten Bedingungen mit zweit- und drittverwendetem Baumaterial erfolgt sein.

Anton Micheels Eltern Kaspar und Gertrud stammten aus einfachen Verhältnissen. Mutter Gertrud war eine geborene Johannmersmann. Sie kam vom Hof Mersmann (heute Bohle), dessen frühere Adresse Pixel 18 lautete. Vater Kaspars Wurzeln liegen in Marienfeld. Er war Schreiner und Landwirt. Das Paar hatte fünf Kinder, von denen zwei Sprösslinge 1843 und 1847 auf dem Hof Mersmann und drei in den Jahren 1851, 1853 und 1855 (Anton) auf der Hofstelle Pixel 53 das Licht der Welt erblickten.

Nach bisherigen Recherchen wurde an anderer Stelle ein aus kräftigem Holz gebautes Haus abgebaut und aus einem Teil der Materialien das Gebäude errichtet, in dem  Anton Micheel 1855 zur Welt kam. Spuren am Holz verraten einiges über den Ursprungsbau und somit über die Baukultur im hiesigen Raum. Nach dendrochronologischer Untersuchung konnte das Fälljahr des Bauholzes auf 1591 beziffert werden. Unter Dendrochronologie versteht man eine Datierungsmethode der Geowissenschaft und der Archäologie, bei der die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden.

Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein lehmausgefachtes Vierständerhaus, das nur drei Gefache in der Höhe aufwies und in Nord- Süd-Richtung eine Firstlänge von 7,75 Meter und eine Breite von ca. 9 Meter hatte. Der seitlich/oben angebrachte Giebelsparren verrät durch die Bohrlöcher auf seiner Oberseite, dass das Haus mit Stroh gedeckt war. Die dunkle Farbe auf der Innenseite (Verrußung) belegt, dass das Haus keinen Schornstein hatte. Die unterschiedliche Bewitterung von Ständerwerk, Holznägeln und Konsolen weist auf die Zweitverwendung des Holzes hin.

Eine Besonderheit liegt im Hinblick auf die einst mittig angeordnete Haustür vor. An den übereinander gelegenen viereckigen Löchern für die Türhaken am linken Türständer lässt sich ablesen, dass Haustüren in unserer Region damals zweigeteilt waren und nach außen aufgingen. Und das bei einer nur geringen Durchgangshöhe.

Laut Überlieferung soll Anton Micheel sein Elternhaus angezündet haben und dann von zu Hause fortgelaufen sein. Damals brannte die ganze Ostseite ab. Etwas verbreitert wurde am Gebäude wieder angeflickt. In diesem Zuge legte man das Deelentor von der Südseite auf die Ostseite. Vor den Südgiebel wurde eine Reihe Stallungen mit Mistschuppen und vor den Nordgiebel ein Kammerfach gebaut. Auch dabei wurde Materialien verwendet, über die man bereits verfügte. So fand der alte Sturzriegel des Deelenbogens als Türpfosten eine neue Verwendung. Als Ergebnis entstand ein Haus mit Querdeele, wie es in der Region im ausgehenden 19. Jahrhundert häufig gefertigt wurde.

Im Jahr 1921 baute man an die Westseite einen Flügel mit zwei Vollgeschossen. Familie Micheel zog später in einen links vom Ursprungsgebäude gelegenen Ersatzbau. Das ehemalige Wohnhaus fand als Getränkehandlung eine neue Verwendung.